Österreichs Gesundheitsministerium drückt bei E-Gesundheitsakte aufs Tempo

Vertreter der Ärzte sind in die Vorbereitungen zur elektronischen Gesundheitsakte in Österreich zwar eingebunden, mit den Vorgängen und Ergebnissen aber unzufrieden.

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Das österreichische Gesundheitsministerium treibt die Einführung der "Elektronischen Lebenslang begleitenden GesundheitsAkte" (ELGA) mit Freude voran, die Ärztekammer bremst. Bereits im Herbst soll die ELGA-Einrichtungsphase beginnen und die Ausschreibung für die Basiskomponenten erfolgen. 2009 soll im Internet ein Informationsportal für Patienten und Gesundheitsdienstleister online gehen. Ab 2010 soll ein System zur Speicherung von Medikations- und Radiologie-Daten betrieben werden. Insgesamt werden die Kosten vom Gesundheitsministerium auf 30 Millionen Euro geschätzt – was die Ärztekammer für viel zu niedrig gegriffen hält.

Alle Daten soll nicht zentral, sondern dezentral dort gespeichert werden, wo sie anfallen. Ein zentrales System registriert allerdings, was wo gespeichert ist. Jeder Bürger wird über einen von den Sozialversicherungen erstellten Master-Patient-Index eindeutig identifizierbar. Mit der bis dato kaum verbreiteten Bürgerkarte (elektronische Signaturkarte) sollen die Österreicher über das Gesundheitsportal nicht nur Zugriff auf die über sie gespeicherten Daten erhalten, sie sollen auch bestimmen können, wer auf welche Informationen zugreifen darf, und überprüfen können, wer wann tatsächlich darauf zugegriffen hat. Die elektronische Gesundheitskarte E-Card kann zur Bürgerkarte aufgerüstet werden.

Das Portal soll auch einige papierene Datenträger wie Impfpass oder Mutter-Kind-Pass ersetzen. Außerdem sollen Informationen über Medikamente, Behandlungsmöglichkeiten und Medizindienstleister bereitgestellt werden. Wie Patienten ohne Internetanschluss eingebunden werden sollen, ist noch nicht bekannt.

Die missbräuchliche Verwendung von ELGA-Daten soll strafrechtlich geahndet werden können. So will man verhindern, dass Arbeitgeber oder private Versicherungen die Bürger unter Druck setzen, ihre Daten preiszugeben. Auch andere Behörden sollen bereits den Wunsch nach Zugriff auf die ELGA geäußert haben.

Vertreter der Ärzte sind in die Vorbereitungen zwar eingebunden, mit den Vorgängen und Ergebnissen aber unzufrieden. "Das Projekt ist gut gemeint, wird aber in seinen Effekten weit überschätzt und in seinen Kosten erheblich unterschätzt. Fragen des Datenschutzes werden oberflächlich und unausgegoren behandelt, das Konzept weist schwere inhaltliche Fehler auf", meint der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Walter Dorner. Aus der Sicht des für ELGA zuständigen Ärztekammer-Referenten Otto Pjeta handelt es sich bei den Plänen des Gesundheitsministeriums um "politisches Spielzeug". Er befürchtet, dass nur die IT-Industrie profitiert.

"So tief greifende und umwälzende Vorhaben wie ELGA (erfordern) eine nachhaltige gesellschaftliche Diskussion, die in Österreich weit und breit nicht auszunehmen ist", so Pjeta. Die prinzipiellen Zugriffsberechtigungen auf Gesundheitsdaten seien ungeklärt und verwaschen. Die Ärztekammer versteht auch nicht, warum das kostenintensive Projekt ELGA mit solcher Eile vorangetrieben werde, wo gleichzeitig die Finanzierung des Gesundheitssystems unsicher sei. Gefordert wird "sachliche Zurückhaltung" und ein "ernsthafter und nachhaltiger gesellschaftlicher Dialog". (Daniel AJ Sokolov) / (jk)