Ärzte sollen elektronische Gesundheitskarte weiterhin ablehnen

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat die Delegierten des Deutschen Ärztetages aufgefordert, ihren Widerstand gegen die "zentrale Krankheitsdatenerfassung" aufrecht zu erhalten und Patientenrechte zu achten.

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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat die Delegierten des am Dienstag startenden 111. Deutschen Ärztetages aufgefordert, ihren Widerstand gegen die elektronische Gesundheitskarte aus dem vergangenen Jahr aufrecht zu erhalten. Mit der Chipkarte und der dahinter stehenden telematischen Infrastruktur würde eine "zentrale Krankheitsdatenerfassung" vorangetrieben, warnt der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern in einem Grußwort an die Teilnehmer der Tagung in Ulm. Die sich dort versammelnde Ärzteschaft müsse auch die Persönlichkeitsrechte der Patienten im Auge haben und dürfe ihre Verantwortung für das Wohl ihrer Patienten nicht auf die medizinische Versorgung beschränken.

Die Aktivisten fürchten, dass bei einer Einführung der Gesundheitskarte in der derzeit geplanten Form dem Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient empfindlicher Schaden zugefügt werden könnte. Es sei davon auszugehen, dass von Dritten eine Nutzung der erfassten sensiblen Daten zu anderen als medizinischen Zwecken beabsichtigt würde. "Wir wissen alle, wie das abläuft", erläutert Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis die Sorgen der Bürgerrechtler. Erst werde mit der Anhäufung großer Datensammlungen unter der Zusage begonnen, diese nur zweckbestimmt zu verwenden. Seien die Daten erst mal gespeichert, entstünden "an den üblichen Stellen" Begehrlichkeiten. Irgendwann werde "jemand die Antiterror-Sau oder eine andere durchs Dorf treiben, um Zugriff auf diese Daten zu erhalten. Und schon haben wir die Situation, dass die persönlichsten Daten von Bürgern in Umlauf geraten."

Der Arbeitskreis übt zugleich Kritik am Datenschutzkonzept der elektronischen Gesundheitskarte. Die Geheimhaltung der eigenen medizinischen Informationen würde damit unbequemer als ihre Freigabe, sodass viele Bürger wohl den leichteren Weg gehen würden. Dies hätten "desolate Ergebnisse aus den Testregionen" gezeigt. An den verheerenden Datenpannen der jüngeren Zeit in Großbritannien und anderen Ländern kann man die Risiken erahnen, die sich aus der Anhäufung großer Mengen an sensiblen Krankheitsdaten in komplexen Systemen ergeben. "Unfälle" bei der Handhabung seien unvermeidlich, Diagnosen wie AIDS, Impotenz oder Suizidgefahr könnten in falsche Hände geraten und "menschliche Schicksale besiegeln".

Die Bürgerrechtler fordern angesichts "der den Nutzen weit überwiegenden Gefahren und der zur Verfügung stehenden Alternativen" einen Stopp des IT-Großprojekts Gesundheitskarte in seiner jetzigen Form. Dieses Plädoyer solle auch vom Ärztetag ausgehen. Zur Beratung steht in Ulm unter anderem ein Positionspapier (PDF-Datei) zum "Einsatz von Telematik im Gesundheitswesen". Darin werden Prüfsteine für die Einführung der Gesundheitskarte aufgestellt. Demnach soll eine Gefährdung sensibler Patientendaten sowie eine Zwangsanbindung von Ärzten und Patienten an die Telematikinfrastruktur ausgeschlossen werden. Zudem verlangt das Papier eine Neukonzeption des Projekts und eine kritische Begleitung durch die Ärzteschaft.

Im Vorfeld des Ärztetages hatte sich ein "Jein" der Bundesärztekammer zur Patientenkarte abgezeichnet. Aus deren Führung ist inzwischen auch davon zu hören, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Vorteile einer sicheren Telematikinfrastruktur als Chance begreife. Die Freie Ärzteschaft lehnt das Vorhaben dagegen entschieden ab. Sie hat gemeinsam mit dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, mehreren anderen Ärzte- und Patientenvertretungen sowie dem Chaos Computer Club (CCC) im Januar ein inzwischen auch von der Deutschen Aidshilfe unterstütztes Bündnis gegen die Gesundheitskarte geschmiedet und sich an Demonstrationen gegen den Überwachungswahn in Staat und Wirtschaft beteiligt. (Stefan Krempl)/ (vza)