Zeitung: Lycos ist ein Ladenhüter

Einem Bericht der "Financial Times Deutschland" zufolge haben Bertelsmann und Telefonica Schwierigkeiten, einen Käufer für die glücklose Internet-Tochter Lycos Europe zu finden.

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Bertelsmann hat weiter keine Freude an Lycos Europe. Für das seit Ende April offiziell zum Verkauf stehende Portalgeschäft finden die Großaktionäre Bertelsmann und Telefonica keinen Abnehmer, berichtet die Financial Times Deutschland unter Berufung auf mit den Vorgängen vertraute Quellen. Danach sollen in den vergangenen Monaten Gespräche mit AOL, United Internet und Tomorrow Focus geführt worden sein. Denen habe aber offenbar die Preisvorstellung der bisherigen Eigner – laut FTD rund 200 Millionen Euro – nicht zugesagt.

Das Internet-Abenteuer der Gütersloher, verantwortet von Christoph Mohn, will damit immer noch nicht zu einem Ende kommen. Nach dem Verkauf der DSL-Sparte an Freenet im vorigen Jahr besteht Lycos noch aus dem Portalgeschäft. Zwar rangiere Lycos laut Marktforschern unter den beliebtesten deutschen Portalen auf dem achten Platz, doch sei das Wachstum des Onlinewerbemarkts an den Güterslohern weitgehend vorbeigegangen. Das Unternehmen wird an der Börse derzeit mit rund 160 Millionen Euro bewertet. Trotzdem: "So, wie das Unternehmen derzeit dasteht, will es keiner haben", zitiert die Zeitung einen Insider. "Wir sind am Anfang des Prozesses", erklärte dazu eine Unternehmenssprecherin am Montag in Gütersloh gegenüber dpa.

Dass Mohn der Sohn der Bertelsmann-Familie ist und auch im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt, mache die Sache nicht leichter, heißt es weiter. Um das Gesicht des Juniors und des Konzerns zu wahren, solle eine direkte Zerschlagung des Tochterunternehmens und der Verkauf in Einzelteilen vermieden werden. Denn dann drohten "deutliche Stellenkürzungen", davon zu einem guten Teil am Standort der Bertelsmann-Zentrale in Gütersloh. Bertelsmann besitzt gemeinsam mit Gruner + Jahr und Mohn rund ein Drittel des Unternehmens. Weitere 32,1 Prozent hält der Telefonica-Konzern.

Mohn hatte vor Kurzem in einem Interview der Londoner Financial Times erklärt, Lycos Europe könne für Investoren aus Asien oder Nordamerika ein günstiger Weg sein, auf dem europäischen Portal-Markt Fuß zu fassen. Zuletzt hatte Lycos Europe sich mit dem Verkauf von Geschäftsbereichen und Beteiligungen über Wasser gehalten, operativ aber weiter rote Zahlen geschrieben. Mit Web-2.0-Diensten unter neuem Namen wollte Lycos durchstarten und strebte sogar die europäische Marktführerschaft an. (vbr)