Zeichen beim Europäischen Patentamt stehen weiter auf Streik

Prüfer der Münchner Behörde wollen auch an diesem Dienstag eine Warnaktion durchführen, um gegen eine drohende Überlastung und den strategischen Kurs des Managements zu demonstrieren.

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Prüfer des Europäischen Patentamtes (EPA) wollen am heutigen Dienstag erneut eine Warnaktion durchführen, um gegen eine drohende Überlastung und den strategischen Kurs des Managements zu demonstrieren. Die Demonstration soll am Nachmittag vor dem Treffen der Budget- und Finanzkomitee der Einrichtung stattfinden. Hauptanlass für die innerbetriebliche Auseinandersetzung sind die Pläne der EPA-Spitze zur Einführung eines neuen Beurteilungsverfahrens für die Arbeit der Patentprüfer. Diese befürchten, dass sie künftig Anträge auf gewerbliche Schutzrechte aus Zeitgründen weniger genau unter die Lupe nehmen können.

Der Streik am vergangenen Dienstag gilt in Gewerkschaftskreisen des EPA als voller Erfolg. Die wichtigsten Münchner Bürogebäude der Behörde seien gleichsam ohne Prüfer dagestanden, heißt es in einer Mitarbeiter-Rundmail. Trotz des "klaren Signals" gebe es aber Zweifel, ob die kontroversen Pläne von der Tagesordnung für das Treffen der Budget- und Finanzkomitee heruntergenommen worden seien. Sollte es keinen Fortschritt geben, wollen Gewerkschaftler den Mitarbeitern mehrere weitere Streiktage vorschlagen. Die Belegschaft soll darüber abstimmen, ob diese dann tatsächlich auch abgehalten werden.

Die Hintergründe für den Unmut liegen in einer zunehmenden Arbeitsbelastung der Prüfer durch die wachsende Zahl von Patentanmeldungen und den zunehmenden Rückstau an Anträgen, die zunächst auf die lange Bank geschoben werden müssen. In den vergangenen zehn Jahren kletterten die Anmeldungen jeweils pro Jahr um acht Prozent in die Höhe. Gleichzeitig rechnet das EPA-Management seit 1998 mit einem Wachstum der Produktivitätsrate bei den Prüfern um jährlich ein Prozent. Dabei erhöht sich mit der Patentierfreudigkeit gleichzeitig ständig auch das Opus an bereits getätigten oder geschützten Erfindungen, die es bei einer Begutachtung von Anträgen zu berücksichtigen gilt. Trotzdem sollen die Kontrolltätigkeiten der Prüfer gemäß dem Vorhaben des Managements auf noch mehr Effizienz getrimmt werden.

Die Misere der Behörde ist nach Ansicht von Kritikern dabei teilweise hausgemacht: Mit ihrer weit gehenden, auch Softwarepatente berücksichtigenden Vergabepraxis lockt sie immer weitere Patentanmeldungen an, die häufig triviale "Erfindungen" mit Hilfe findiger Anwälte schützenswert erscheinen lassen wollen. Dazu drängt das EPA-Management auf eine verstärkt "kundenorientierte" Einstellung aller Mitarbeiter, die Patente wie Produkte "verkaufen" sollen. Dass das Patentwesen ursprünglich der Gesellschaft als Ganzer dienen und Innovationen fördern sollte, gerät dabei in den Hintergrund.

Zusätzlich in die Bredouille gerät das Europäische Patentamt gegenwärtig durch das Ansinnen von Regierungen innerhalb der Europäischen Patentorganisation, Zuständigkeiten für die Erteilung gewerblicher Schutzrechte wieder verstärkt an die nationalen Patentämter zurückzuverlagern. In der EU fehlt der Behörde nach wie vor eine eigenständige rechtliche Verankerung, sodass es auch zu Reibereien mit den Plänen der EU-Kommission zur Neuausrichtung des Patentsystems kommt. Ein Gegensteuern zur "Überhitzung" des Patentwesens, die von Forschern seit längerem konstatiert wird, ist auf politischer Ebene momentan angesichts des Profitfaktors der gewerblichen Schutzrechte selten zu verspüren.

Die Prüfer des US-Patentamts plagen sich derweil mit teilweise ähnlichen Problemen herum. So hat auch die Führung dieser Behörde einen neuen Plan für ihre Leistungseinschätzung vorgelegt, der nach Ansicht der Patent Office Professional Association (POPA) seinerseits den Arbeitsdruck erhöhen würde. Demnach soll eine Durchschnittssumme an "Produktionseinheiten" festgesetzt werden, die ein Prüfer jährlich durchschleusen muss. Eine Erklärung für die Berechnung der zu prüfenden Anträge vermisst die POPA dabei noch.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente unter anderem in Europa und um die die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)