Kuba fürchtet den Blog: Yoani Sánchez darf nicht reisen

Der kubanischen Führung, die angeblich auch über eine Lockerung der Ausreisegesetze nachdenkt, ist das Aufsehen um die Philologin, die den Blog Generación Y verbreitet, so unangenehm, dass sie die Bloggerin am liebsten zum Schweigen bringen würde.

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Von
  • Franz Smets
  • dpa

Die Verweigerung der Ausreise zu einer Preisverleihung nach Spanien ist für die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez Enttäuschung und Ansporn zugleich. "Wenn ich darüber schreiben würde, wäre das vielleicht mein wahrhaftigster Blogeintrag über die Lage des Bürgers und über seine Beziehung zum Staat", sagte die Internet-Autorin kürzlich am Telefon. Gerade hatte sie erfahren, dass ihr die Genehmigung, Kuba zu verlassen, nicht erteilt werde. Der kubanischen Führung, die angeblich auch über eine Lockerung der Ausreisegesetze nachdenkt, ist das internationale Aufsehen um die 32-Jährige so unangenehm, dass sie die Bloggerin am liebsten zum Schweigen bringen würde.

Doch hat die Führung mit dieser Maßnahme das Gegenteil erreicht. Um die Philologin, die seit April 2007 von ihrem kleinen Appartement im obersten Stock eines großen Wohnhauses in Havanna den Blog Generación Y verbreitet, ist ein regelrechter Boom entstanden. Generación Y ist ein Tagebuch, in dem Yoani Sánchez die kubanische Realität aus ihrer Sicht beschreibt. Ein erstes Gegenbild zur verlogenen und von einem Mann gelenkten Scheinwelt der Staatsmedien. Bestimmt ist es für die Kubaner, die in den 70er- und 80er-Jahren in Kuba geboren sind. "Sie wurden geprägt von Schulen auf dem Lande, von russischen Matrjoschkas und vom Frust, unfrei zu sein", sagt Sánchez.

Yoanis Blog wurde zum meistgelesenen Medium Kubas, die Texte sind eine direkte Herausforderung an Revolutionsführer Fidel Castro, der sich seit Monaten die Finger wund schreibt, um Kuba von Reformen abzuhalten. Yoanis Blog verzeichnet bis zu vier Millionen Besucher monatlich, weit mehr als die Parteizeitung "Granma" mit den "Gedanken des Genossen Fidel", der seit 50 Jahren das Handeln und Denken der elf Millionen Kubaner bestimmt hat. "Auf meine Texte gibt es drei Gruppen von Reaktionen", sagte die zierliche junge Frau der Agentur dpa, nachdem sie Anfang April erfahren hatte, dass ihr der angesehene spanische Medienpreis "Ortega y Gasset" zuerkannt wird. "Da sind diejenigen, die mich für die Jeanne d'Arc des Cyberspace halten. Es gibt welche, die glauben, ich sei eine Agentin des CIA oder der Staatssicherheit. Und es gibt andere, die mich in der Nähe des Feindes wähnen", erklärte sie weiter. Dadurch entstehe Polemik, und dies sei der Treibstoff zum Weitermachen. Denn es sei das Wichtigste, dass sich auch in Kuba ein Raum für Diskussionen, der "Debatte aller Tendenzen" auftue.

So ist Yoani Sanchez zur der Figur des entstehenden neuen Kubas geworden. Sprachgewandt, gescheit, gebildet und mit dem Rat und Beistand ihres Mannes, des oppositionellen Journalisten Reinaldo Escobar, ausgestattet, ist sie angetreten, um die verborgenen und durch Fidel Castros Revolution zugeschütteten Ideen und Sehnsüchte der Kubaner wiederzuentdecken. Bereits zwei Generationen von Kubanern haben keine Erinnerung an einen andere Herrscher als Fidel Castro. Und Raul (76), der Bruder und Nachfolger des 81-jährigen kranken Fidel, hat einer Öffnung der kubanischen Gesellschaft noch nicht zugestimmt.

Für das US-Magazin Time gehörte Sánchez schon vor der Verweigerung der Reise zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. Jetzt werden ihre Ansichten über Kuba erst recht weltweit verbreitet und gehört. So auch ihre Einschätzung über die Veränderungen und Reformen unter Raúl Castro, der Ende Februar in seiner Antrittsrede versprochen hatte, Maßnahmen zu Reformen und Verbesserungen zu ergreifen. "Was sich in Raúl Castros Kuba verändert hat, ist nicht auf die Menschenrechte ausgerichtet", urteilt sie. "Ich habe keinen Zweifel, dass sie (da oben) neue Maßnahmen eingesetzt haben. "Aber ob diese die Qualität des Lebens und die Freiheiten des guten kubanischen Bürgers verbessert haben, da habe ich meine Zweifel. Ich glaube, sie haben nichts verbessert."

Siehe dazu auch in Telepolis:

  • Aufbruch in Havanna, Die neue Reformpolitik im sozialistischen Kuba geht über den Verkauf von Handys und DVD-Playern hinaus

(Franz Smets, dpa) / (jk)