Klimawissenschaftler warnen vor "falschem Optimismus"

Aufgrund neuer Klimamodelle fordern britische Wissenschaftler drastischere Emissionsreduzierungen, als sie bislang politisch ins Auge gefasst wurden.

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Von
  • Florian Rötzer

Britische Klimawissenschaftler warnen vor einem "falschen Optimismus", der sich bei internationalen Begegnungen wie dem G8-Treffen oder UN-Klimakonferenzen eingestellt habe und von der Hoffnung getragen sei, dass sich alle negativen Folgen der Klimaerwärmung vermeiden ließen. Man habe jetzt schon 10 Jahre an Zeit verloren, in denen über die Klimaerwärmung gesprochen, aber nicht entschieden gehandelt wurde. Es sei jetzt höchste Zeit, bindende Emissionsbeschränkungen und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel einzuführen, um die zu erwartenden Schäden zu mindern. Im Blick haben sie die UN-Klimatagung im Juni in Bonn, den G8-Gipfel im Juli in Japan und vor allem die Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen, wo es um das Kyoto-Nachfolgeabkommen geht.

Die Wissenschaftler, die am Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen beteiligt sind, erklären, dass sie mit ihrer Warnung, die in Nature Reports Climate Change erschienen ist, nicht offiziell im Namen des Klimarats sprechen. Jetzt, so sagen sie, würde man bereits mit den steigenden Lebensmittelpreisen die ersten "globalen Auswirkungen" der Klimaerwärmung beobachten können. Sie seien auf Trockenheiten in Herstellerländern wie Australien und auf "schlecht konzipierte Experimente der Klimapolitik" zurückzuführen, die Anbauflächen für Lebensmittel zu Biospritflächen gemacht hätten. "Dies sollte uns als Weckruf dienen: Folgen des Klimawandels können uns überraschen, besonders wenn sie in Verbindung mit anderen Trends zusammenwirken."

Selbst die geplanten, angeblich anspruchvollsten Klimaziele, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf 50 Prozent der 1990 verursachten zu reduzieren, würde aufgrund neuer Klimamodelle auf der Grundlage der Daten des letzten IPCC-Berichts, große Schäden nicht verhindern könnten. Mit den neuen Simulationen könne man, so Klimawissenschaftler Martin Perry, "erstmals sehen, welche Schäden für unterschiedliche Reduktionen der Emissionen zu erwarten sind".

Man würde mit der 50prozentigen Reduzierung wahrscheinlich zwar die vorhergesagte Temperaturerhöhung um 2 Grad Celsius vermeiden können. Das aber sei kein Grund zur Beruhigung, da die Welt trotzdem aufgrund der Trägheit des Klimatrends bis 2100 in einem Erwärmungstrend gefangen sei. 2100 könne sich die Erwärmung auch mit größeren Emissionsreduktionen auf 2 Grad und mehr belaufen. Bis 2050 könnten trotz der 50prozentigen Reduzierung bereits eine Milliarde, bis 2100 zwei Milliarden Menschen nicht mehr genug Trinkwasser zur Verfügung haben, während 20-30 Prozent der Arten aussterben.

Würde man hingegen die Treibhausgasemissionen global bis 2050 um 80 Prozent unter den Wert von 1990 senken, wofür die Wissenschaftler plädieren, dann könne man erwarten, dass bis dahin die Temperaturen nicht mehr als 2 Grad steigen, bis 2100 spreche nur eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür. Dadurch aber ließe sich beispielsweise das Risiko für die Menschen, von Wasserknappheit und Fluten betroffen zu werden, um die Hälfte senken. Selbst mit dieser Reduzierung der Treibhausgasemissionen seien aber größere Schäden nicht zu vermeiden. Allerdings könnten diese durch Anpassungen weitgehend minimiert werden, die aber in sehr viel größerem Ausmaß durchgeführt werden müssten, wie dies bislang geplant ist.

Parry befürchtet, dass die Klimapolitik einbricht, wenn "die Welt sich mehr darauf fixiert, den Lebensstandard zu erhalten, als die Lebensqualität zu schützen". Tatsächlich werden die Gegner einer Bekämpfung der Klimaerwärmung lauter, die sich gegen die "Klima-Alarmisten" wenden. US-amerikanische Klimaskeptiker rufen für den 12. Juni so zu einem CO2-Verschwendungtag auf und lehnen jede Reduzierung von Emissionen ab. (fr)