EU und USA verhandeln über gegenseitige Patentanerkennung

Der Transatlantische Wirtschaftsrat hat einen Fahrplan zum Vorantreiben der "globalen Patentharmonisierung" verabschiedet. Kritiker fürchten, dass auf diesem Weg einmal mehr Softwarepatente in der EU legalisiert werden sollen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 85 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die Mitteilung zu den Ergebnissen der Verhandlungen des Transatlantischen Wirtschaftsrates Mitte vergangener Woche fasst sich kurz beim Thema Immaterialgüterrechte. Die Europäische Kommission und das US-Patentamt hätten einen Fahrplan vereinbart, um die "globale Patentharmonisierung" voranzutreiben, heißt es an diesem Punkt allein. Es gehe um Absprachen, wo es Gemeinsamkeiten in den unterschiedlichen Patentsystemen gebe und welche gewerblichen Schutzrechte man auf dieser Basis gegenseitig anerkennen könne, erläuterte ein Sprecher von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy das Vorhaben. Generell solle die Zusammenarbeit in diesem Bereich verbessert werden. Ende des Jahres werde man voraussichtlich weiter sehen.

US-Präsident George W. Bush, Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie die damalige Präsidentin des EU-Rates und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten den Transatlantic Economic Council (TEC) Ende April 2007 ins Leben gerufen, um allgemeine Handelsbarrieren zu beseitigen. Patente spielen dabei zwar eher eine Nebenrolle. Aber es ist bezeichnend, dass nach der Präsidentin des Europäischen Patentamtes (EPA), Alison Brimelow, nun das Wirtschaftsgremium nach einer raschen Angleichung wichtiger Patentwesen ruft und bereits Zeitpläne ins Auge fasst. Brimelow hatte kürzlich eine verstärkte Kooperation der großen Patentämter in Europa, USA und Japan bis hin zur gemeinsamen Nutzung von Patentprüfungen gefordert. Eine gegenseitige Anerkennung erteilter Patente auf globaler Ebene hatte sie im Gegensatz zum TEC wegen offensichtlicher Systemunterschiede aber nicht als akzeptabel befunden.

Kritiker fürchten, dass auf dem angestrebten Weg der gegenseitigen Anerkennung gewerblicher Schutzrechte und einem entsprechenden bilateralen Abkommen Softwarepatente nach US-Vorbild endgültig in der EU legalisiert werden könnten. "Die Vereinigten Staaten wollen damit die höheren Standards des Europäischen Patentübereinkommens ausschalten", fürchtet Benjamin Henrion vom Förderkreis für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII). Die TEC-Agenda werde dabei vom "Transatlantic Economic Business Dialogue" (TABD) diktiert, in dem kein einziges kleines oder mittelständisches europäisches Unternehmen vertreten sei.

Der FFII verweist auf mehrere gescheiterte Versuche der Industrie, die Grenzen des materiellen Patentrechts in Europa zu erweitern und das Verbot des Schutzes von Software "als solcher" auszuhebeln. Demnach sollten die niedrigeren US-Standards etwa im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum bei den Gesprächen über einen "Substantive Patent Law Treaty" einzuführen. Nun werde der TEC als neues Forum genutzt, um Softwarepatente doch noch durch die Hintertür durchzusetzen.

So sei in einem Entwurf (Doc-Datei) für ein transatlantisches Patentabkommen davon die Rede, dass für die Erteilung eines gewerblichen Rechtsschutzes eine beanspruchte Erfindung als ganzes für eine fachkundige Person zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht offensichtlich hätte gewesen sein dürfen. So könnte es vermieden werden, dass allein der patentierte Gegenstand etwa in Form einer Software-Applikation Gegenstand der Überprüfung der allgemeinen Patentierungsbedingungen und immer im Zusammenhang mit dem ausführenden Computer gesehen werde.

Laut FFII-Präsident Alberto Barrionuevo hat sich die Kommission bei den TEC-Gesprächen im Sektor gewerblicher Schutzrechte auch generell übernommen. "Die Europäische Union hat weder ein Gemeinschaftspatent noch ein materielles Patentrecht." Eine Ausnahme stelle nur die Biotech-Richtlinie dar. Daher sei es "überflüssig über ein bilaterales Patentabkommen mit den Vereinigten Staaten zu diskutieren. Das wäre so, als ob ein Blinder einem Tauben den Weg zeigen würde." Fall die USA wirklich ihre Patentpraxis reparieren wollten, sollten sie zunächst ihre umstrittenen Pläne zur Patentreform verabschieden und dem Europäischen Patentübereinkommen beitreten. McCreevys Sprecher schloss dagegen aus, dass es bei dem Vertrag um Softwarepatente gehe: "Etwas, das hier nicht beschlossen würde, könnte auch nicht anerkannt werden."

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (pem)