Deutsche E-Books bei Amazon.de

Amazon eröffnet die deutsche Niederlassung seines Kindle Store. Auch das Lesegerät Kindle ist nun bei Amazon Deutschland erhältlich.

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Von
  • Johannes Haupt
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Der Versandhändler Amazon verkauft nun auch in Deutschland digitale Bücher. Das Unternehmen hat Vertriebsverträge mit zahlreichen hiesigen Verlagshäusern geschlossen, allerdings fehlen noch die Titel einiger namhafter Verlage wie Suhrkamp oder Rowohlt. Zur Live-Schaltung des Stores auf Amazon.de waren etwa 25 000 E-Books in deutscher Sprache verfügbar. Darunter befanden sich nach Angaben von Amazon 71 Titel der Top-100-Bestsellerliste des „Spiegel“; generell ist der Kindle Store momentan überwiegend mit vor kurzer Zeit erschienenen Büchern bestückt.

Bedingt durch die Buchpreisbindung ist digitale Literatur bei Amazon.de exakt so teuer wie bei anderen E-Book-Händlern. Die Preisdifferenz zwischen gedruckter und digitaler Ausgabe liegt in der Hand der Verlage, welche momentan unterschiedliche Strategien verfolgen. Während etwa Bastei Lübbe seine E-Books üblicherweise 20 Prozent bis 30 Prozent unter der zur gleichen Zeit günstigsten Printausgabe bepreist, möchte Kiepenheuer & Witsch für seine E-Books genauso viel wie für die günstigste Print-Ausgabe des gleichen Titels (Hardcover oder Taschenbuch).

Deutscher Kindle Store: rund 25000 deutsch- sprachige E-Books im Sortiment, Schnäppchenpotenzial eher gering

Vom ersten Tag an steht der deutsche Kindle Store für kleinere Verlage und Selbstverleger offen, die ihre E-Books über die Kindle-Direct-Publishing-Plattform einreichen und abhängig vom Verkaufspreis 30 oder 70 Prozent der Umsätze ausbezahlt bekommen. Eine Woche nach der Live-Schaltung des deutschen Kindle Store waren die vorderen Plätze der Bestsellerliste dominiert von E-Books aus dieser Kategorie. Auf Platz 1 befand sich eine Anleitung zum Kindle 3, gefolgt von einem für 99 Cent angebotenen Roman und einer Bibel-Ausgabe. Erst auf Rang 5 konnte sich mit dem Dan-Brown-Thriller „Das verlorene Symbol“ der Titel eines Großverlages platzieren.

Wie in den USA hat Amazon auch im deutschen Kindle Store kostenlose E-Books im Sortiment; zur Eröffnung waren es rund 4500. Dabei handelt es sich überwiegend um ältere Bücher, die keinem Urheberrecht mehr unterliegen. Wie bei kostenpflichtigen E-Books veranschlagt Amazon auch für diese Titel keine Übertragungsgebühren, selbst wenn der Download mittels Kindle 3G über das Mobilfunknetz erfolgt.

Angereicherte Buchinhalte, sogenannte Enhanced E-Books, gibt es bislang nur in englischer Sprache. Literatur mit eingebetteten Videos oder Audiodateien kann ausschließlich über Kindle-Apps wiedergegeben werden, der Kindle selbst versteht sich noch nicht mit multimedialen Erweiterungen.

Überhaupt noch nicht im deutschen Kindle Store verfügbar sind kleine Anwendungen fürs Lesegerät, von Amazon „Active Content“ genannt. Publisher wie Electronic Arts verkaufen seit August 2010 Wörterspiele, Puzzles sowie simple Produktivitätstools wie Taschenrechner und digitale Notizblöcke im US-Store.

Schon seit Herbst 2009 konnten deutsche Anwender das Amazon-Lesegerät Kindle über die amerikanische Website bestellen, fanden bislang aber nahezu ausschließlich englischsprachige E-Books im angeschlossenen Online-Shop. Rechtebedingt waren zudem viele im US-Store gelistete Titel für deutsche Kunden nicht verfügbar. Aus diesem Grund weist auch das rund 650 000 Titel starke englischsprachige Angebot im neu eröffneten deutschen Store einige Lücken auf; insbesondere aktuelle US-Bestseller werden häufig nur in den USA verkauft.

Alle E-Books im Kindle Store liegen im proprietären AZW-Format vor und lassen sich nur mit Amazon-Hardware oder -Software lesen. Neben dem Kindle bietet Amazon in Deutschland kostenlose Lese-Apps für PC, Mac, Android und iOS. Dabei gibt es sowohl für Smartphones als auch für Tablets (iPad, Android 3.0 Honeycomb) optimierte Apps. Noch nicht auf Amazon.de aufgeführt, aber bereits im deutschen Marketplace verfügbar ist darüber hinaus eine Anwendung für Windows Phone 7. Einmal im Kindle Store erworbene E-Books übertragen sich „over the air“ zu mit dem eigenen Amazon-Account verknüpften Geräten; außer der Literatursammlung und der aktuell „aufgeblätterten“ Seite werden auch Lesezeichen, Anmerkungen und Hervorhebungen synchronisiert.

Die von Amazon Deutschland nun ins Sortiment genommene dritte Kindle-Generation erschien im Herbst 2010. Der Anbieter verzichtet bislang auf eine Lokalisierung: die über Amazon.de beziehbaren Lesegeräte haben QWERTY-Tastaturen und englischsprachige Menüs. In Deutschland verkauft wird vorerst nur das 6-Zoll-Modell; der großzügig dimensionierte Kindle DX mit einer Bildschirmdiagonalen von 9,7-Zoll ist weiterhin nur über die amerikanische Seite erhältlich.

Der Kindle 3 ist nun auch über Amazon.de bestellbar. Kostenpunkt: 139 Euro (WLAN) beziehungsweise 189 Euro (WLAN + 3G)

Der Kindle hat ein E-Ink Graustufendisplay aus der besonders kontraststarken und reaktionsschnellen Pearl-Serie. Außer dem AZW-Format liest der Kindle TXT-, MOBI- und PDF-Dateien, wobei sich die Lektüre von nativ großformatigen PDF-Dokumenten recht mühselig gestaltet. Mit dem in Deutschland populären Epub-Standard kann der Reader ebenso wenig anfangen wie mit dem im kommerziellen Bereich immer noch verbreiteten Adobe-DRM-Kopierschutz für Epub- und PDF-Dateien.

Das 240 Gramm leichte Gerät kann außer Bücher auch MP3s abspielen und Fotos anzeigen, vier Gigabyte Flash-Speicher (nicht erweiterbar) stehen dafür bereit. Amazon verkauft seinen Kindle in zwei Ausführungen: Mit WLAN-Modul kostet er 139 Euro, das Modell mit WLAN und zusätzlichem 3G-Modem liegt bei 189 Euro. Die WLAN-Anbindung kann auch zum Surfen genutzt werden, der rudimentäre Browser ist bei komplexer aufgebauten Websites allerdings schnell überfordert. Nutzer des 3G-Modells können unterwegs lediglich Wikipedia über das Mobilfunknetz ansteuern; optionale Datentarife für eine weitergehende Online-Nutzung gibt es nicht.

Amazon betritt mit der Kindle-Plattform hierzulande einen bereits umkämpften Markt [1]. Dem Kindle am nächsten kommt der von der Buchhandelskette Thalia vertriebene Oyo. Der 139 Euro teure Sechs-Zöller hat ebenfalls ein WLAN-Modul, im angeschlossenen E-Book Store gibt es nach Angaben von Thalia gegenwärtig rund 80 000 deutschsprachige E-Books. Zudem versteht der Oyo Epub-Dateien mit und ohne Adobe DRM, womit die Befüllung aus alternativen Quellen im Vergleich flexibler möglich ist. Die Oyo-Hardware kann dem Kindle allerdings bei weitem nicht das Wasser reichen, besonders das milchige und langsame SiPix-Display trübt die Lesefreude. Sonys Reader PRS-650 Touch Edition bietet für 229 Euro wie der Kindle ein Pearl-E-Ink-Display und darüber hinaus einen intuitiv bedienbaren Touchscreen. Der Weg zum digitalen Buch führt mangels kabelloser Konnektivität allerdings zwangsläufig über den PC.

Amazon gibt dem im Vergleich zu den USA immer noch marginalen deutschen E-Book-Markt mit seinem lokalisierten Kindle Store einen starken Impuls. Allerdings hat das Unternehmen den hiesigen Erfolg seiner Kindle-Plattform nicht gänzlich in der eigenen Hand. Denn nur wenn die Verlage bei den Themen Digitalisierung und Bepreisung mutiger werden, sind ähnliche Wachstumsraten realistisch wie in den USA, wo Amazon inzwischen mehr Kindle Books als Taschenbücher verkauft.

[1] Achim Barczok, Digitale Taschenbücher, E-Book-Reader ab 100 Euro, c’t 25/10, S. 112 (jh)