Bundestagsdebatte: "Safer Surf" gegen Internet-Gefahren

Bei ILOVEYOU waren sich die Parteien ausnahmsweise mal einig: Abgeordnete aller Parteien plädierten einhellig für hohe internationale Sicherheitsstandards im Internet.

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Nach der Attacke des E-Mail-Wurms Bei ILOVEYOU waren sich die Parteien ausnahmsweise einmal einig: In der gestrigen aktuellen Stunde im Bundestag forderten sie einhellig hohe internationale Sicherheitsstandards für das Internet und eine verstärkte Aufklärung über die Gefahren der Informationstechnologie. Das Motto des Tages gab der FDP-Abgeordnete Hans-Joachim Otto aus: "Genauso wie eine Aktion safer sex brauchen wir eine Aktion safer surf." Seiner Ansicht nach ist der E-Mail-Wurm, der Schäden von bis zu zehn Milliarden Mark verursacht habe, nur ein "Warnschuss". Der Schutz vor solchen Angriffen werde zur Schlüsselfrage für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Aufgrund der wachsenden Abhängigkeit weiter Teile der Gesellschaft vom Internet hält es Siegmar Mosdorf (SPD) für bedenklich, im Cyberspace einen staatsfreien Raum entstehen zu lassen. Martin Mayer (CSU) sieht eine mögliche Bedrohung durch organisierte Kriminalität oder terroristische Angriffe und fordert, zunächst das Gefahrenpotenzial zu analysieren.

Auch Microsoft scheint bei Regierung und Opposition in Ungnade gefallen zu sein. Das Ausmaß des Schadens sei nur durch die Übermacht des Konzerns auf dem Software-Markt zu erklären. Matthias Berninger (Bündinis 90/Die Grünen) forderte die Bundesregierung sogar auf, auf EU-Ebene ein kartellrechtliches Verfahren in die Wege zu leiten. Derartige Überlegungen dürften das Herz der Open-Source-Gemeinde höher schlagen lassen, liegt doch der Gedanke nahe, dass alternative Systeme in Zukunft stärker ins Blickfeld der Loveletter-sensibilisierten Politiker rücken könnten.

Im Vorfeld der gestrigen Bundestagssitzung waren quer durch alle Parteien auch Forderungen nach einer Überarbeitung des Computerstrafrechts laut geworden. Ein Vorstoß in diese Richtung müsse jedoch auf internationaler Ebene geschehen, betonte Bundesinnenminister Otto Schily. Beispielsweise gibt es auf den Philippinen, dem vermutlichen Ursprungsland des Loveletter-Wurms, kaum gesetzliche Möglichkeiten, gegen Computerkriminalität vorzugehen. Die Täter könnten nach philippinischem Strafrecht nur nach einem Gesetz verurteilt werden, welches das Ausspionieren von E-Mail-Adressen und die unrechtmäßige Aneignung von Konto- und Kreditkartennummern verbietet.

Die Politiker scheinen sich jedoch daran zu gewöhnen, dass staatliche Regulierung und schärfere Gesetze nicht das Allheilmittel schlechthin für die vernetzte Welt sind. Siegmar Mosdorf fordert konkrete Vereinbarungen mit Providern und anderen Unternehmen der Branche über Sicherheitsstandards. Eine solche Selbstregulierung wirke oft schneller und flexibler als staatliche Gesetze. Otto Schily schlägt in dieselbe Kerbe: "Jenseits aller Überlegungen, ob man an den Gesetzen etwas änder muss, kommt es darauf an, die Software so auszugestalten, dass man größere Schäden durch solche Viren weitgehend ausschließen kann." Solange die Systeme keine unbekannten Viren erkennen und unschädlich machen könnten, sei diese Gefahr jedoch nicht ganz einzudämmen, räumte Schily ein.

Bereits vorgestern hatte sich auch das amerikanische Repräsentantenhaus mit dem E-Mail-Wurmbefall befasst. Vor allem wurde Kritik an dem Anti-Viren-Spezialisten McAfee und der Wirtschaft laut, die sich zugunsten ökonomischer Interessen nicht genügend um die Sicherheit im Internet kümmere. Alle Beteiligten waren sich jedoch darüber einig, dass die Systemsicherheit im Wesentlichen vom Benutzerverhalten abhängt. Im Klartext: Das Problem sitzt nach Ansicht der amerikanischen Poitiker wohl oft vor dem Computer. (atr)