Berlin soll Leitbörse für Online-Aktienhandel werden

Hintergrund: Nach der Megafusion von Frankfurt und London zur Superbörse vor allem für institutionelle Großanleger soll sich die bisherige Regionalbörse zum Top-Online-Börsenplatz für Privatanleger mausern.

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Von
  • André Stahl
  • dpa

Die erst vor wenigen Tagen beschlossene Umwandlung der Berliner Wertpapierbörse in eine Aktiengesellschaft war wenig spektakulär, folgte die Hauptstadtbörse damit doch nur anderen Handelsplätzen. Dass man sich damit auch für die Beteiligung Dritter öffnen und auf die "zunehmende Wettbewerbsintensität" reagieren wollte, ließ ahnen, in welche Richtung die Reise geht. Wenige Tage später war ein Vorteil der AG-Umwandlung klar: Der Discount-Broker Consors kann sich nach dem Einstieg beim Wertpapierdienstleister Berliner Effektengesellschaft an der Berliner Börse beteiligen.

Nach der Megafusion von Frankfurt und London zur Superbörse vor allem für institutionelle Großanleger soll sich die bisherige Regionalbörse Berlin zum Top-Online-Börsenplatz für Privatanleger mausern. Dazu sollen auch andere renommierte Internet-Broker als Partner geholt werden. Verhandlungen mit in- und ausländischen Interessenten gibt es bereits. Das Ziel von Consors und der Effektengesellschaft ist klar: Berlin soll "Leitbörse" für Privatkunden werden, die von deutlichen Kostenersparnissen und mehr Transparenz bei ihren Orders profitieren würden.

Berlin wurde nicht umsonst gewählt, bietet die Nummer 3 unter den deutschen Börsen doch das umfangreichste Aktienangebot. Hier werden inzwischen 8.789 Aktien gehandelt, davon im Freiverkehr 8.027 ausländische Papiere. Der Boom an der US-Börse für Technologiewerte, Nasdaq, hatte sich in den Büchern der Berliner Makler niedergeschlagen. Mit einem Zuwachs von 50 Prozent auf 96 Milliarden Euro im Aktienhandel erzielte Berlin 1999 den stärksten Zuwachs aller deutschen Handelsplätze. Zudem drängten die Berliner wegen des starken Handels mit US-Werten auf immer längere Handelszeiten. Entsprechend gelassen gab sich Börsenchef Jörg Walter Anfang Mai mit Blick auf die Fusion von Frankfurter und Londoner Börse. "Wir werden an unserer Strategie vorrangig für Privatanleger mit einem breiten Angebot festhalten."

Derzeit kämpfen mehr als 20 Börsen in Europa um das Geld der Anleger. Die Börsenlandschaft hat angesichts der Fusionen noch lange nicht ihre endgültige Gestalt erreicht. Die Traditionsbörsen bekommen auch zunehmend Konkurrenz durch private elektronische Handels-Plattformen, beispielsweise der von Morgan Stanley und dem schwedischen Partner OM angekündigten reinen Internet-Börse "Jiway". Dort sollen Anleger nach bisherigen Plänen ab September führende US- und europäische Aktien handeln. Geworben wird mit drastisch reduzierten Handels- und Abrechnungskosten sowie Bestpreisgarantien. Für hohe Liquidität soll gesorgt werden. Zudem ist Jiway einzig und allein für Privatanleger gedacht.

Diesem Trend – viele andere Plattformen sind im Gespräch, aber noch nicht gestartet – versuchen Consors und Effektengesellschaft über eine Beteiligung an der Berliner Börse etwas entgegenzusetzen. Sie wollen die Vorteile aus einem Verbund von Makler- sowie Internet-Geschäft nutzen. Die Ausführung und Abwicklung von Aufträgen soll nicht nur einfacher, sondern auch wesentlich billiger werden. Für jede Order soll der Anleger die Garantie erhalten, Aktien zumindest zum günstigsten in Deutschland gehandelten Kurs kaufen oder verkaufen zu können. Auch soll mehr Einblick in Orderbücher möglich sein. Für Consors interessant sind zudem Neu-Emissionen der Berliner. Die Aufsicht über die Aktiengeschäfte hat aber weiter der Staat. Und dies, so heißt es bei den Machern der neuen Partnerschaft, sei "von unschlagbarem Vorteil" gegenüber anderen Plattformen. (Andre Stahl, dpa) (jk)