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Was war. Was wird. Von Geistern, Trostlosigkeit und Erleuchtung

Trostlosigkeit allenthalben, sieht Hal Faber, angesichts dieser unserer Schützer des Rechtsstaates. Rechtsstaat? Da komme der Geist über uns, auf dass er uns erleuchte und der Präventionsstaat unsere Sicherheitsparanoiker doch noch scheitert.

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Was war. Was wird. Von Geistern, Trostlosigkeit und Erleuchtung
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Der BND-Neubau, anlässlich der BND-Aktion im September 2013

*** Der arme Herr Schindler von der FDP. Da führt er eine deutsche Behörde, die mit 3800 Mitarbeitern größer ist als das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland. Das ist der Bundesnachrichtendienst, der seine Mitarbeiter überwiegend aus ehemaligen Bundeswehr-Soldaten rekrutiert, die das Gehorchen gewohnt sind. Und dann muss er eine Aussage machen, der in einer Tageszeitung als ein Quantum Trostlosigkeit beschieden wird. "Wir sind abhängig von der NSA und nicht umgekehrt." Mit dieser einfachen Erkenntnis des Freidemokraten löst sich ein Satz von Bundeskanzlerin Merkel in Schall und Rauch auf: "Unter Freunden spioniert man nicht." Aber klar tut man das, wenn es die amerikaniischen Freunde wollen im Rahmen unser engen und vertraulichen transatlantischen Abstimmungsgepflogenheiten.

*** Schindler ist der Vorgesetzte von Hartmut Pauland, dem Leiter der Abteilung technische Aufklärung und ehemaliger General der Bundeswehr. Dieser berichtete im NSA-Untersuchungsausschuss: "Ende des ersten Halbjahres kamen die Snowden-Veröffentlichungen. Und dann war das Leben anders als gedacht." Aber nie im Leben kam er trotz all den enthüllenden Dokumenten von Snowden auf die Idee, mal nachzufragen, was es mit den Selektoren auf sich hat. In Bad Aibling lief alles weiter wie bisher Pauland ist der Vorgesetzte eines Unterabteilungsleiters, der nur als D.B. auftritt und der dafür verantwortlich ist, welche Suchbegriffe in Bad Aibling beim Abfischen des Datenstroms benutzt werden. Der beauftragte einen Unterabteilungsleiter damit, einen Mitarbeiter namens M.T. mal die Selektoren sichten zu lassen. Was dann folgte, nannte eine Tageszeitung praktizierten Anarchismus. Eine Liste der Selektoren wurde ausgedruckt und verschwand, der Rechner mit den Daten wurde "plattgemacht". Das vom armen Herrn Schindler verbreitete Quantum Trostlosigkeit setzte sich auf allen Ebenen durch. Und täglich grüßt das Selektier.
"Abteilungsleiter Pauland fragte seine Mitarbeiter selbst dann nicht, warum er die Suchbegriffe prüfen und viele von ihnen löschen ließ, als der Vorgang durch das Wirken des Untersuchungsausschusses öffentlich und zum großen Aufreger im politischen Berlin geworden war. Warum er so handelte, konnte er am Donnerstag nicht nachvollziehbar erklären."

*** Angesichts dieser umfassenden Trostlosigkeit finden sich in den Zeitungen zum Pfingstwochenende, oh jauchzet ihr Christen, Kommentare zum BND und warum Deutschland diesen Geheimdienst so dringend braucht. Der Tenor: Es geht um den Kampf gegen den Terror, Leute, in dem man nicht nachlassen darf. Schlimm, ganz schlimm ist es, wenn "die Amerikaner" den BND ausladen und so die anhaltende Kritik an dem BND dessen "Arbeitsfähigkeit" einschränke. Und alle bedauerten den armen Herrn Schindler, der da meinte, die Zukunftsfähigkeit seiner unfähigen Behörde stünde auf dem Spiel. Die Tapfersten mahnten ein bisschen Demokratie an und mehr Kontrolle. Kein einziges Wort davon, dass die NSA einen menschenrechtswidrigen Überwachungsverband eingerichtet hat und der BND im miteilenden Gehorsam die deutsche Verfassung bricht. Wir sehen: Die Trostlosigkeit ist überall. Tarnen, Täuschen und Vernebeln, diese militärischen Tugenden beherrscht nicht nur der BND.
"Da gibt es den Heiligen Geist, der von den alten Meistern als Taube gemalt wird; auf ihren Bildern sieht man Strahlen, die von dieser Geisttaube ausgehen und zu den Menschen führen, gerade so, als habe dieses Wesen ein göttliches Intranet installiert."

*** Pfingsten, die Himmel jauchzen, die Christen glühen und geben sich ganz zeitgenössisch, preisen die Luftratten und die geschützte Kommunikation zwischen dem Heiligen Geist und seinen Followern. Selbst der wackere Demokrat Heribert Prantl wird da zum Prediger (das Zitat ist von ihm und schwebt hinter einer Klingelbeutelwolke) und preist das Fest der "vollkommenen Kommunikation". Nun unterscheidet sich die göttliche Taube von der gemeinen Drohne dadurch, dass sie niemals das GPS-Signal verlieren kann, wie es den gejammten Schiebel-Coptern der OSZE im Osten der Ukraine laufend passiert. Drohnen sind, zumal wenn sie militärisch eingesetzt werden, entweder Instrumente des gezielten Tötens oder Aufklärer zum Schutz unserer Soldaten. Hier gab es in dieser Woche wenig Aufklärung, weder bei der in der Oberpfalz abgestürzten US-amerikanischen Shadow-Drohne noch bei den deutschen Lunas, die ganz ohne Jammer systembedingt das GPS-Signal verlieren und bis zur Klärung des Problems auf dem Boden bleiben müssen. Daneben gibt es gute Drohnen für einen guten Zweck, ob in den Vereinigten Emiraten oder in den Niederlanden, wo sie mit Defillibratoren herumfliegen, so als Heiliger Geist für Arme.

*** Was es auch noch gibt, bei den Makern vom Heise-Verlag und in zahlreichen Vereinen, sind Hobbyisten, die Spaß an der Drohnenfliegerei haben. Sie alle, vom Profi-Pilot bis zum Hobbybastler über einen Kamm geschoren, ergeben die Schlagzeile eines deutschen Boulevard-Blattes: "Wikileaks veröffentlicht 7000 Namen! Drohnen-Profis geraten ins Visier von ISIS und Al-Qaida." Gemeint ist die Aktion Transparancy Toolkit, bei der drei US-Amerikaner ein Skript programmierten, das Linkedin-Profile von US-Amerikanern nach Begriffen wie "drone" "UAV" usw. durchsuchte, und dann die Daten von 139.361 US-Bürgern entführten und Wikileaks übergaben. Nun kann man die neue Wikileaks-Seite Intelligence Community Watch besuchen und sich daran machen, die Überwacher zu entlarven. Die Truppe um Julian Assange unterstützt eine Manhunt-Operation für Amateure, die an den Pranger stellt, was der Algorithmus gefunden hat. Etwa einen Automechaniker, der in seiner Freizeit Quadcopter baut und fliegt. "Transparency for the state, privacy for the rest of us!", mit diesem Slogan warb Wikileaks dereinst. Die Rechtfertigung für diese Aktion ist die Annahme, dass die drei Programmierer des Transparency Toolkits "Morddrohungen von US-Analysten" erhalten haben.

Was wird.

Nein, ich glaube nicht, dass Julian Assange in die Reihe derer gehört, die in der kommenden Woche als Supernerds auf der Bühne, im Fernsehen und in den sozialen Medien auftreten werden, komplett mit dem Second Screen der Zuschauer. Das Buch der Gespräche mit Helden ist auch schon fertig, die mediale Dröhnung perfekt. Ach, halt, es gibt auch noch ein Überwachungsspiel, bei dem jeder mitmachen kann mit seinen echten Daten, man kann auch einen "Freund überraschen", in dem man dessen echte Daten eingibt, was fast ein Spielchen wie bei Wikileaks Intelligence Community Watch ergibt. Das Supernerd-Thema ist übrigens alt und in der Zwischenzeit nicht besser geworden. Supernerd will die Trennung zwischen dem Whistleblower und dem Nerd aufheben, der mit dem Material der Whistleblower seine eigenen Dinger dreht. Ganz nebenbei ist ein Schuss Allmachtsphantasie im Spiel, bekannt aus Film und Fernsehen. Das "uns" der Nerds und das "uns" der Gesellschaft sind nicht identisch,, wenn es heißt: "Die digitale Gesellschaft gibt uns viel Macht, die Gesellschaft zu verändern."

LTE und Tetrapol-Equipment im Innern eines Bundeswehr-Radfahrzeugs Eagle IV

Apropos digitale Macht und reale Macht: Zur Vorbereitung des G7-Gipfels im Zentrum der Welterweckung wird das Schickimicki-Hotel Elmau gerade umgerüstet. Die letzten Gäste sind abgereist, das militärische Sperrgebiet wird seit gestern installiert. Zäune werden errichtet, Funk- und Kameratürme werden installiert. Ab dem Pfingstsonntag gilt für vier Quadratkilometer rund um Elmau ein absolutes Betretungsverbot, die Grenzkontrollen nach Österreich werden wieder eingeführt. 17.000 Polizisten und Bundeswehr-Helfer werden erwartet, für sie hält der bayerische Innenminister Herrmann am kommenden Dienstag einen ökumenischen Gottesdienst samt "mutmachender Ansprache". Die Kunde vom göttlichen Intranet will offenbar auch in Elmau verbreitet werden. Wenn es mit den Himmelsstrahlen der Tauben und den Feuerzungen nicht klappt, gibt es ja noch die IP-Kommunikation. Allein fünf Eagle IV der Bundeswehr werden als mobile LTE-Relaisstationen im militärischen Frequenzbereich ihren Dienst antreten, denn wenn Obama ankommt, wird das mobile Netz der Telefonbetreiber gejammt. Selbst die Tetra-Funken der Polizei müssen in andere Frequenzbereiche ausweichen, weil US-Geheimdienste und Obama-Bewacher absoluten Vorrang haben. Denken wir darum den Satz des armen Herrn Schindler etwas weiter: "Wir sind abhängig von der USA und nicht umgekehrt." 100 Kilometer entfernt liegt Bad Aibling. (jk)