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Was war. Was wird.

Es ist eine Zeit zu trauern, und eine Zeit für Dankbarkeit. Und für Ärger über die üblichen Dummheiten der IT-Branche, das auch, meint Hal Faber.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Feucht ist es, mein Handtüchlein, das ich an diesem Gedenktag zur Erinnerung an den großen Literaten DNA heraus geholt habe. Es ist ein Tag der Trauer, und das nicht nur für das Häufchen derer, die einen pangalaktischen Donnergurgler oder halt die schwächeren irdischen Äquivalente nach dem anderen kippen. Trauer auch um die slowenischen Transen, die beim Grandprix du Schmalz ihr erklärtes Ziel von 42 Punkten für Samo ljubezen verfehlten.

*** Trauer erst recht um "25", die 25 schlechthin natürlich: Loddar Matthäus ist beim Weltkick der besten unverletzten Treter nicht dabei, die Stimmung mit seinem Gebrabbel zu heben. Dabei sieht es sehr trüb aus, in Japan, dem Land voll teutonischem "absoluten Optimismus". Die deutschen Playstations aus Japan können nicht mit den japanischen Fernsehern aus Korea, was nach Presseberichten eine spielerisch ernste Sache ist. Zwar haben sie dieses Internet auf den Hotelzimmern, aber wenn es schon mit der Innenverteidigung nicht klappt, wie soll man da zu den richtigen ganz echten Fans finden? Obwohl, da muss ich abseits der Brutalität glatt an Krummbein Litti erinnern, der in Japan für den damals führenden Online-Dienst Compuserve warb: nani-mo motte-i-nai.

*** Traurig und wie immer furchtbar ungerecht ist der Tod von Stephen Jay Gould, Großmeister der wissenschaftlichen Aufklärung für mündige Leser, großer Kämpfer gegen den Krebs im eigenen Körper und Verfasser eines Buches über die Evolutionstheorie, das mit 1.432 Seiten erst im März als Opus Magnum erschienen ist. Was haben wir nicht alles vom Daumen des Pandas, vom Lächeln des Flamingos und den Dinosauriern im Heuhaufen lernen können, wenn nicht, dass Wissenschaft ohne schreckliche Vereinfachungen erzählt werden kann. Wenn heute Politiker wie Wissenschaftler sich an PISA-Zahlen aufgeilen, sollte man sich vielleicht daran erinnern, dass Gould mit "Der falsch vermessene Mensch" schon 1983 einen Verriss der Intelligenztests und Ranglisten ablieferte. Der Schneckenforscher Gould, der so sehr die Rolle des Zufalls betonte, darf selbst als solcher betrachtet werden, als Glücksfall für Leser natürlich auch.

*** Ein trauriges, aber auch ein glückliches und dankbares Tschüss geht an Niki de Saint Phalle. Ihre Nanas schmücken Hannover direkt an der Leine. Traurig sind nun auch die Hannoveraner Bürger, die angesichts Nikis großer Huren und dicker Nanas schon das Weltende kommen sahen: Mag ihnen damals dann auch der Hut vom spitzen Kopf geflogen sein, heute lebt sich's offensichtlich besser ohne. Wir jedenfalls konnten in meiner Jugend besoffen oder bekifft großartig unter ihnen kampieren und träumen -- schwer genug in einer Stadt, die traditionell nichts für ihre Töchter übrig hatte. Dass sie nach Hannover kam, war ohnehin ein halbes Missverständnis, den "Roten Punkt" für eine Kunstaktion zu halten. Mit der Flinte konnte keine(r) malen wie sie.

*** Traurig waren einmal auch ganz andere Leute: "Alle Blitze sind Geschöpfe Gottes, alle Schläge hat der Herr abgemessen, keiner fällt, als ihn die göttliche Vorsicht bestimmt hat", wetterte der Hamburger Pfarrer Ulber 1760 in einer Predigt gegen den Bau von Blitzableiter. Glaubt man den Chroniken, so wies Thomas Francois Dalibard am 25. Mai 1752 während eines Gewitters die Gleichheit der Luftelektrizität und der Elektrizität von Elektrisiermaschinen nach. Er setzte in Marly bei Frankreich den Vorschlag von Benjamin Franklin um, den Blitz mit Metallstangen abzuleiten. Vor 250 Jahren begann damit die Entwaffnung Gottes. Blitzableiter wurden gegen den heftigen Widerstand der Kirche und des Volkes nur zögerlich installiert, genau wie Franklins zweite Erfindung, die Leihbücherei (die dritte war die Feuerversicherung gegen Blitzschlag). Danach war es vorbei mit dem Blitz als Zorn Gottes.

*** Der Blitz bringt uns natürlich zum Propheten Mohammed, der am 25. Mai 570 seinen angenommenen Geburtstag hat. Unter dem Stichwort Islamismus zieht seine Botschaft gerade in die SPD à la pli de Schily ein -- und das nicht erst seit gestern. Al Buraq hieß der Blitz, der Mohammed nach Jerusalem brachte, wo heute Moslems und Juden wie Skorpione im Wasserglas im Todeskampf verkeilt sind. "Ich wünschte, es wäre Bill Gates, gegen den wir kämpfen", heißt es im Buch "format c:" des OS/2-Journalisten Edwin Black, "aber das Armageddon von Juden und Moslems unter ben Hinom im Tal des Todes ist schlimmer".

*** Blacks Buch endet mit der weltweiten Installation von Pocket PC und dem Satz: "If You agree to these terms, press Enter." Eine weltweite Verschwörung hat hier ihr Ende gefunden. Im "Lexikon der Verschwörungstheorien" des Illuminatus-Autors Robert Anton Wilson fehlt bislang ein Eintrag unter M wie Microsoft oder I wie IBM. Vielleicht wird er in späteren Auflagen nachgelegt. Wenn man etwas aus David Berlinds unermüdlicher Bohrerei folgern kann, dann sind beide Firmen in trauter Zweisamkeit dabei, die Web-Services so zu realisieren, dass größtmögliche Gewinne für die Inhaber einiger weniger, doch zentraler Patente dabei herausspringen. Sicher, für Patente schwärmen derzeit auch bislang unverdächtige Firmen wie Red Hat, doch was uns die Großen da an Geheimnistuereien präsentieren, ist schwer verdächtig. Wann werden beide Firmen ihr Monopoly Service Pack zur Installation freigeben?

*** Für eine richtige Verschwörungstheorie mag es vielleicht nicht reichen, doch was Network Associates sich im Namen des Digital Millenium Copyright Acts erlaubt, gehört zu den unterbelichteten Nachrichten der Woche. Sicher, eine ordentliche Party der DMCA-Fans mag viel interessanter sein. Die Frage bleibt, ob nur die PCs verdummt werden sollen oder eher ihre Besitzer, wenn digital-analoge Konverter ins Visier der Medienkonzerne geraten.

*** Die Akronymitis ist eine weit verbreitete Krankheit in der Computerbranche, kein Wort ist vor ihr sicher. Da gibt es Scanalu oder, viel schicker, die Astrid, das All-round Semi-cellular Trunking Radiocommunication system with Integrated Dispatchings. Diese Woche durften wir Musical bestaunen, was natürlich völlig klaro das Kürzel für "Multimedia, Sicherheitstechnik, E-Commerce, Facility-Management und E-Learning" ist und einen neuen Studiengang beschreibt, der an der ersten deutschen "Notebook-University", vulgo Fachhochschule für Technik und Wirtschaft zu Berlin angeboten wird. Nun aber geht es ans Tanzen und Singen: Alle Inhalte des Musicals sollen drahtlos auf die Laptops der Studenten gefunkt werden. Auf diese Weise sollen sie sich besser entfalten können, frohlockte die Musical-PR. Jau, Laptops, so oder so. Und wozu all den E-Learning-Quatsch und das Facility-Zeugs, man kann sooo niedliche Sachen mit ihnen machen. Meiner öffnet gerade die nächste Flasche Wein.

*** 99 Prozent der Werbung für Laptops zeigt uns entspannte Menschen, die in der Hitze am Pool oder am Strand glücklich auf ein Display starren, das sie bei der Sonneneinstrahlung garantiert nicht entziffern können. Ein klarer Fall für Telearbeit, die nicht funktioniert. Aus diesem Grunde löste sich in der Berichtswoche der Verband Telearbeit Deutschland e.V. (VTD) auf, mit der wirklich einsichtigen Begründung, "weil Telearbeit heutzutage in nahezu allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens Eingang gefunden hat. Aus diesem Grund sah man als Verband keine Notwendigkeit mehr, weiterhin eine Plattform für die Belange und Diskussionen rund um das Thema Telearbeit zur Verfügung zu stellen". Den erfolgreich dahinsiechenden Verband erschreckte wohl eine Mitteilung des jüngst gegründeten Schweizer Verbandes zu Tode. Dort starteten die Telearbeiter unter dem Motto "I love my privacy" dieser Tage eine Kampagne gegen Keylogger und andere Versuche der Arbeitgeber, ihre mobilen, flexiblen Arbeiter unter Kontrolle zu bringen.

Was wird.

Was bietet die nächste Woche? Richtet sich der Blick auf Deutschland, so ist es erst einmal nicht viel. Am Montag soll Kim Schmitz vor Gericht erscheinen und sich verantworten. Vielleicht muss sich ja auch Jürgen W. Möllemann endlich einmal verantworten -- allerdings dürfte die Entscheidung kaum justiziabel sein, ob's nun Dummheit war oder Absicht, mit dem Schüren alter Ressentiments, die Juden wären selbst am Antisemitismus schuld, neue Wählerschichten zu erschließen: Zieht den Kopf ein, Verfolgte dieser Erde -- dann wird er euch nicht abgeschlagen. Oder haltet wenigstens die Schnauze, statt alte Finger in neue Wunden zu legen.

Kehrt man dann zu friedlicheren Anlässen zurück, findet man zu Berlin Wissenschaftler, die über das Grid Computing der Zukunft tagen. Richte ich den Blick auf meine Mailbox, ist allerdings der Bär los, natürlich auch in Berlin. Dort startet in Bälde die Internet World als "Leitmesse der digitalen Zukunft", auch wenn der Veranstalter gleich nach der Messe sein Personal halbieren will: Die Zukunft wird halt immer kürzer, das beweist sicher Moore's Law. Doch ungeachtet solcher Restrukturierungsmaßnahmen füllte sich meine Mailbox mit krachenden Ankündigungen rund um das neue Geschäft im Internet, bei dem uns Bots an die Hand nehmen. Ja, ich lechze, lese ich über "revolutionäre sprachgesteuerte Office und Project Management Tools", die mich enablen, meinen Redakteur anzupeilen und ihm mitzuteilen, dass diese Kolumne nun endlich, endlich zu Ende ist. Sestre rulez! Wo ist mein Handtüchlein? (Hal Faber) / (jk)