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Was war. Was wird.

Schwarze Mächte allenthalben, kein Sommer in Sicht, und erklären kann man meine Generation immer noch nicht: Vielleicht wäre es doch ein einfacheres Leben, wenn man lediglich alle Jahre 12 Punkte verteilen müsste, befürchtet Hal Faber.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Es regnet. Es regnet immer noch. Es regnet immer wieder. Die norddeutsche Tiefebene versteckt sich in vernieseltem Grau, kein Sommer in Sicht, und im sonnigen Cannes hat Wim Wenders doch nicht die Goldene Palme gewonnen. Von wegen, alles wird gut. Oder doch? Möge die Macht mit dir sein, liebe Leserin, lieber Leser in Nordrhein-Westfalen, eine gute und gerechte Regierung für die nächsten fünf Jahre zu wählen. Das ist schwierig genug, bei der Bandschmäle in der Auswahl an geeigneten Politikern, und es wird noch schwieriger angesichts der Dämlichkeiten, die sich rund um diese Schattenwahl türmen. Nehmen wir nur das Gewürge um das selbstorganisierende Expertensystem namens Wikipedia, in dem Julia und Ex-Lover Guido mit kleinen Veränderungen Gott spielen wollen. Zur Zeit gipfelt die Peinlichkeit in einem heiteren Rätselraten um IP-Nummern von Sonja und Ole und die Forderung, dass Politiker und ihre Mitarbeiter eine eindeutige IP-Nummer brauchen, die alle Doppelungen verhindert, am besten in einer elektronischen Fußfessel sicher verwahrt. Noch fehlt das Verbot des anonymen Bloggens für Parteigenossen aller Couleur, aber wir sind schon auf dem richtigen Wege.

*** Ja, es regnet, und manchem verhagelt es gar das Hirn: Wer die Macht hat, braucht den Verstand nicht zu benutzen. Vor dem Hintergrund, dass Politiker das En-Puff-Prinzip der Wikipedia nicht verstehen können, gewinnt der gute alte Rüttgers-Spruch, das Kinder-Net dem Inder-Net vorzuziehen, eine ungeahnte Tiefe. Ja, "Luke" Rüttgers ist ein Denker, kein Sklave der schwarzen Mächte, mit Bärtchen, wie das die grünen Mächte meinen. Interessant ist immer noch die Frage, was mit den Daten der großartigen Postkartenaktion "Kinder statt Inder" geworden ist, die in eine natürlich von Indern programmierte Datenbank gespeichert wurden. Hier gibt sich die CDU nicht so nett und offen wie die Wahlalternative, wo schwielige Arbeiterhände offenbar cc: und bcc: verwechselten.

*** Möge, so du in der Sonne sitzt und nicht an die Macht der Jedi und das Gute im Sith glaubst, der große Gott Google deine Wege beschützen. Denn Google ist das Imperium schlechthin und lenkt die Suchläufe auch nach den Seltsamsten Quellen in geordnete Bahnen wie die der Unmassen von Raumgleitern, die den Himmel des Stadtplaneten zumüllen. Oh Moni, Padme, hum: Was stirbt, wird geboren und lebt lange und glücklich. Hat nicht auch ein Darth Vader das Recht auf ein bisschen Heimat, selbst wenn er dazu verdammt ist, ein komisches Gebräu zu trinken? Wer im Kampf gegen den Terror nicht für uns ist, der ist gegen uns, verkündete US-Präsident Bush ganz im Stil des Anakin Skywalker -- oder ist es anders herum zu sehen? Was bleibt, wenn Lucas abgeschlossen hat, Bush geht und selbst Moore's Law nicht mehr funktioniert? Eigentlich nur das politisch korrekte therapeutische Klonen und das Warten auf die Roboter von Microsoft. Denn woran soll der gebrechliche Mensch dann noch glauben, seine Evolution zu vervollkommnen? Könnte er doch längst stärker sein und gesünder, wäre da nicht diese Erinnerung an diese Juden gewesen, meint Bushs Bioberater und Hofphilosoph Francis Fukuyama: "We could really speed up the whole process of drug improvement if we did not have all the rules on human experimentation. If companies were allowed to use clinical trials in Third World countries, paying a lot of poor people to take risks that you wouldn't take in a developed country, we could speed up technology quickly. But because of the Holocaust --"

*** Aber es gibt doch noch einen Platz an der Sonne, meine Generation kennt ihn auch, auch wenn sie nicht mehr ganz zu My Generation gehörte: Wer hat schon die Macht, dieses musikalische Wunder zu erklären? I Can't Explain, aber irgendwie ist Peter Dennis Blandford Townshend in dieser Woche 60 Jahre alt geworden. In den meisten Geburtstagsständchen wird den zertrümmerten Gitarren gedacht, was wirklich schade ist. Sollen ihn wirklich nur noch die Suicide Girls als ersten echten Konzept-Künstler des Rocks feiern? Fragen über Fragen. Ja, der Mensch ist vergesslich, sein Hirn, gemeinhin Sitz des Verstandes, ist DDoS-Attacken ausgesetzt wie weiland die arme Firma SCO. So verschwindet das Wissen, so gedeihen die Mythen. Wenn die zum Middelhoff-Imperium gehörende Netzeitung davon berichtet, dass es den Lewinsky-Skandal ohne Weblogs niemals gegeben hätte, schließt sich ein Kreis. Der Drudge-Report, der als erster über Lewinsky berichtete, war alles mögliche, nur kein Blog. Gespannt warten wir auf den Konzept-Journalismus, den die Netzeitung da aufbereitet. "Liebes Tagebuch. Gestern war ich auf einem verwunschenen Eckgrundstück und suchte Paulus Neef, den Zertrümmerer aller guten Dotcom-Firmen." Verwunscht noch mal, das wird spannend!

*** Zum blogfreien Journalismus gibt es eigentlich nichts Neues zu sagen. Er ist korrupt, wir sind korrupt, und lassen uns um die ganze Welt herum einladen. Gelegentlich schauen wir in den Hotels in die Schubladen. Dann liegt da die Bibel, der Koran oder ein Feuerflüchteweg. Wir zitieren aus einer Quelle, die sich auf eine andere Quelle beruft, die in einer weiteren Quelle etwas gelesen haben will -- und machen daraus eine Nachricht, die vor harter Drecksrecherche leyendeckert, dass die Knoten nur so fliegen. Ob wirklich alles aufgedeckt wird, daran darf man zweifeln. Oder, um mit dem Douze Points-Gebrabbel von heute Abend mit einem schönen Text zu schließen: You deny the truth, you're just having fun, 'Til your child will shoot your gun. Wenn dies die Norweger singen würden, hätten wir eine Supergroup mehr.

*** Hätte es vor fünfundzwanzig Jahren Studien über die Wirkung von Computerspielen auf Kinder gegeben, wären die Psychologen vermutlich zur alarmierenden Schlussfolgerung gekommen, dass die lieben Kleinen irgendwann in finsteren Räumen pillenkauend zu monotoner Musik herumlaufen würden. Jetzt ist der ursprünglich als Pizza konzipierte Pac-Man stolze fünfundzwanzig Jahre alt, die einzigen für Leute wie mich noch verträglichen Pillen enthalten Multivitamin und die monotone Musik stammt bestenfalls von Philip Glass. Pakupaku dreht dagegen unermüdlich weiter seine Runden durch die Labyrinthe, bald in 3D-Echtzeit und ich kann das Fieber schon fast wieder hinter meiner Stirn pochen hören -- wie gut, dass es nichts wichtigeres gibt auf der Welt.

Was wird.

Wenn die Macht nicht mehr mit dir ist, bleibt immer noch der Unitarische   Dschihad, die Welt zu erklären und das Bute wie Göse zu sichten. Am Montag startet Gartner seine ITxpo, auf der jugendlicher Leichtsinn den kritischen Fragen der CIOs standhalten muss. Darauf folgen die Linuxwochen im Land, das angeblich noch vor uns die PKW-Maut einführen soll.

In Deutschland geht es eher ruhig zu. Wir feiern in Darmstadt die GameDays mit einem zünftigen Killer-Familientag an Fronleichnam und freuen uns nicht minder über die kommende GUADEC, die uns rege Pressearbeiter als weltweit größtes Open Source Desktop Event schmackhaft machen wollen, auf dem erstklassige Sprecher der BBC und Nokia revolutionäre freie Multimedia-Tracks vorführen werden. Ja, Open Source ist eine gute Sache, wenn nur die PR nicht so stammeln würde.

Mit mir ist keine Macht. Das macht aber nichts. Erstens habe ich den Towel Day zu feiern. Meine Söhne laufen schon mit den merkwürdigsten Tüchern durch die Gegend. Zweitens wird es den achtmillionsten Forumskommentar im Heise-Forum geben. Rein numerisch gibt es ihn zwar schon, doch verschluckten sich die Datenbanken der Heise-Server dereinst um einige tausend Kommentar-Nummern, die im großen /dev/null landeten, wohin wir alle gehen müssen. Wie all die alten A's der Arbeitsagentur. So singen wir den Summertime Blues: Der Sommer kann kommen. Kommt er? (Hal Faber) / (jk)