4W

Was war. Was wird.

Journalistenpreise sind wie Hundehaufen, findet Hal Faber. Jeder hat mal einen an den Hacken, und dann stinkt es plötzlich. Wie jetzt bei diesem Edelfedern-Award, der nach einem alten Schwindler benannt ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 45 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.


*** Ich weiß, ich wiederhole mich: Journalistenpreise sind wie Hundehaufen. Jeder tritt mal rein, es stinkt und dann geht es ans Abwischen, wobei das Geld vom Journalisten eingesackt wird. Pecunia tribata gazetta non olet. Die Aufregung um einen aberkannten Reportagepreis für einen Text, der keine Reportage ist, erinnert an die aktuelle Hupfdohlen-Hysterie in Düsseldorf. Im Maßstab 1:87 verkleinert müsste Märklin eigentlich die "Goldene Kellerassel" für die Beschreibung einer Spielzeugeisenbahn aus der Ferne ausloben, mit großer Gala im Hamburger Wunderland, bekanntlich ein prämierter Ort der Ideen. Zur zeitgenössischen Aufregung passt eine Meldung aus den USA, nach der ein Zehn Jahre alter Nachruf auf Usama bin Ladin preisverdächtig ist. Was habe ich vor zehn Jahren geschrieben? Der deutsche Adel verließ das Internet und Egon Erwin Kischs Kopf ging in Prag verloren? Egal, egal, der Kisch-Preis ist auch nicht mehr das, was früher einmal war. Der alte Schwindler Kisch. Generationen von Journalisten und viele Abiturienten kennen seine reich bebilderte Reportage vom "Rettungsring an einer kleinen Brücke", die "live" die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht schildert.

*** Es gibt sie aber noch, die guten Geschichten, die sich nicht ändern! Bekanntlich macht der Euro Probleme und Politiker zu Hupfdohlen einer ganz besonderen Art. Für 20 Beschäftigte im Finanzministerium bedeutet dies, dass sie eine Rasterfahndung der besonderen Art aushalten müssen. Ihre Post, ihr Fax-, Telefon- und Mailverkehr wird überwacht und überprüft, weil ein "Vorbereitungspapier" an Journalisten weitergereicht wurde. In dem Papier wurde über die Folgen eines Austrittrauswurfes von Griechenland aus der Europäischen Währungsunion spekuliert. Ob der Maulwurf gefunden wird, ist unklar, denn leider gibt es eine Sicherheitslücke, die nur mit der Überwachung der privaten Mobiltelefone geschlossen werden kann. Die vor einer Woche so schmerzlich vermisste Vorratsdatenspeicherung lässt schön grüßen. Dass obendrein ein hinterlistiger Mailfälscher am Werk ist, betrübt den Finanzminister ganz besonders. Vielleicht ein Ansatzpunkt, den deutschen Mailverkehr im großen Stil zu überwachen?

*** Warum in dieser Woche der 70. Geburtstag des ersten Zuse-Rechners gefeiert werden musste, ist nicht so recht ersichtlich. Was bei einem Menschen ein runder Geburtstag ist, ist bei einer Maschine nur ein Zähldatum. Genau besehen ist dieser Geburtstag auch noch mit einer nachträglichen Umtaufe verbunden, denn die als Z3 bekannt gewordene Maschine hieß zu ihren Lebzeiten V3 entsprechend der Praxis im Flugzeugbau, die Prototypen mit einem V zu bezeichnen. Von heute aus gesehen, ist das V ein Kürzel für die Vergeltungswaffen, mit denen Zuse nichts zu tun haben wollte.

*** Umso hübscher ist es doch, dass heute der 100. Geburtstag von Max Frisch begangen werden kann, einem meiner Väter. In seinem Homo Faber erklingt das Loblied auf den Rechner, die mehr von der Zukunft wissen als wir Menschen, die dauernd damit kämpfen müssen "ich" zu sagen, ohne ein "ich" zu haben. "Natürlich meinte ich nicht die Roboter, wie sie die Illustrierten sich ausmalen, sondern die Höchstgeschwindigkeitsrechenmaschine, auch Elektronen-Hirn genannt, weil Steuerung durch Vakuum-Elektronenröhren, eine Maschine, die heute schon jedes Menschenhirn übertrifft. In einer Minute 2.000.000 Additionen oder Subtraktionen! In ebensolchem Tempo erledigt sie eine Infinitesimal-Rechnung, Logarithmen ermittelt sie schneller, als wir das Ergebnis ablesen können, und eine Aufgabe, die bisher das ganze Leben eines Mathematikers erforden hätte, wird in Stunden gelöst und zuverlässiger gelöst, weil sie, die Maschine, nichts vergessen kann, weil sie alle eintreffenden Informationen, mehr als ein menschliches Hirn erfassen kann, in ihre Wahrscheinlichkeitsansätze einbezieht. Vor allem aber: die Maschine erlebt nichts, sie hat keine Angst und keine Hoffnung, die nur stören, keine Wünsche in Bezug auf das Ergebnis, sie arbeitet nach der reinen Logik der Wahrscheinlichkeit, darum behaupte ich: Der Roboter erkennt genauer als der Mensch, er weiß mehr von der Zukunft als wir, denn er errechnet sie, er spekuliert nicht und träumt nicht, sondern wird von seinen eigenen Ergebnissen gesteuert (feed back) und kann sich nicht irren; der Roboter braucht keine Ahnungen – Sabeth fand mich komisch."

*** Der Rechner träumt nicht, er spekuliert nicht und kann sich weder freuen noch ärgern, wenn Googles Hausprophet Eric Schmidt wieder einmal davon schwärmt, wie schön die Zukunft werden wird, wenn Rechner für uns das Erinnern übernehmen und sei es nur die Erinnerung an die schöne Zeit bei Google. Bekanntlich ist der vom Affen abstammende Mensch vergesslich, besonders der Promovierte. Schnell geht auch die Erinnerung daran verloren, wer gegen Schmidt und Google moderne Falschmünzer einsetzt, seien es Facebook oder Microsoft: Kleine Links verwahren uns vor dem Vergessen, Verweise auf das, was die Rechner da für uns gespeichert haben.

*** Wer erinnert sich noch an die 2,5 Milliarden Dollar, für die Skype im Jahre 2009 an Investoren verkauft wurde, angesichts der Tatsache, dass Microsoft nun schlappe 8,5 Milliarden für Skype hinblättert. Oder ist noch jemand da, der sich an den 16. Oktober 2007 erinnert, als niemand anderes als Microsoft-Gründer Bill Gates den "Geburtstag der Internet-Telefonie" verkündete, erfunden von Microsoft, entwickelt in der Schweiz. Vergessen, vergessen, wie VocalTecs Internet-Telefonie, ein Produkt, das ursprünglich für die Kommunikation mit AIDS-Forschern in Afrika im Silicon Wadi entwickelt wurde. Der Auftrag kam vom Internationalen Roten Kreuz aus der Schweiz.

Was wird.

Bleiben wir in der Schweiz, im Vaterland von Max Frisch, dieser mit Käse und Banken ausstaffierten Version von Andorra. Dort steht zum 146. Geburtstag der Organisation bei der Internationalen Telekommunikations Union wieder einmal die Verleihung der prestigeträchtigen Awards an. Geehrt wird die finnische Staatspräsidentin Tarja Halonen für die rechtliche Verankerung des Breitband-Zuganges zum Internet, sowie die amerikanische Unternehmerin Kristin Peterson, die das Hilfsprojekt Inveneo aufgebaut hat. Als Quoten-Mann ist Sam Pitroda mit von der Partie, der die indische Regierung in den 80er Jahren beim Ausbau des TK-Netzes beriet. Die auf sein Drängen hin präferierte Konzentration auf das Internet soll maßgeblich dafür verantwortlich sein, dass Indien beim Outsourcing von IT-Projekten eine bedeutende Rolle spielen konnte. Doch halt, auch bei uns werden Preise vergeben und nein, es sind keine Hundehaufen. Googles Chief Evangelist und Internet-Großvater Vint Cerf bekommt die HPI-Fellow-Medaille und redet über "Die Integrative Kraft des Internet und seine Zukunft".

Ganz doll hat sich das Bundeskriminalamt über den wissenschaftlichen Nachweis gefreut, dass das Wachstum jugendlicher Fingerabdrücke berechnet werden kann. Ist ein Problem gelöst, so wartet das nächste um die Ecke. Gespannt warten wir auf die zweistündige Rede von BKA-Chef Ziercke über die "Terroristische Bedrohungslage in den neuen Medien" auf dem VfS-Kongress "Sicherheitsbranche im konstruktiven Dialog". Ist Facebook böse, ist Twitter lieb? Und dürfen wir auch mal was von der tollen Arbeit der Wiesbadener Cybercops mitbekommen, diesen "Typen, die könnten genauso gut im Silicon Valley in einer Garage sitzen und Programme entwickeln.". (vbr)