Zahlen, bitte! Nummer 52970 auf der Rechnung

Vor dem Zahlen kommt natürlich die Bestellung. Doch was wird geschickt, wenn man bei einer Organisation in Cambridge die 52970 ordert? Ein Tipp: Die Lieferung sorgt bis in die DNA hinein für Veränderung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 33 Kommentare lesen
Zahlen, bitte! Nummer 52970 auf der Rechnung
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Neben der Nummer 52970 stehen noch die 20298 oder die 64750 ganz hoch auf der Bestellliste, die die US-Organisation Addgene zur Verfügung stellt. Insgesamt umfasst die Auswahl mehr als 45.000 Angebote. Die begehrte Ware: DNA-Material. Hinter den Nummern stecken die Bestellcodes für verschiedene sogenannte Plasmide, also Mini-Chromosomen, die für Gen-Forscher interessant sind. Und Nummer 52970 ist besonders beliebt: Sie liefert das Plasmid, das für die Bildung des Proteins Cas9 verantwortlich ist – das Schnittwerkzeug der Gen-Editiermethode CRISPR.

Die Methode CRISPR breitet sich schneller aus als jede andere in der Geschichte der Biotechnik. Im vergangenen Jahr erschienen mehr als 1300 wissenschaftliche Artikel über die Genschere CRISPR. Forscher wenden sie für alles Mögliche an: zum Heilen von Muskelschwund bis zur Züchtung von Beagles mit enormen Muskelpaketen.

Addgene ist dabei so etwas wie ein gemeinnütziges Amazon für biologische Bausteine. Die Mitarbeiter machen jeden Wochentag um acht Uhr morgens UPS-Pakete mit dem begehrten Material fertig und versenden sie in alle Welt, etwa nach Simbabwe oder Kroatien. So hilft die Organisation Wissenschaftlern, ihre DNA-Erfindungen zu verbreiten. Jeder kann sein Material einreichen oder welches für 65 Dollar bestellen.

Um die Erbgutabschnitte aufbewahren und verschicken zu können, verpackt Addgene sie im Darmbakterium E.coli. Dort liegen sie verteilt auf Plasmiden. Bestellt nun jemand eine bestimmte Genfunktion, verschickt Addgene die entsprechenden Bakterien in Glasfläschchen. Dank des leichten Zugangs zu der Gene-Editing-Methode kann sich jedes unabhängige Forschungslabor von jedem Standort aus beteiligen. Während Kritiker der Organisation vorwerfen, mit ihren Bio-Legosteinen lebende Organismen für ein reines Plug and Play zu missbrauchen, sehen Forscher in Addgene schlicht einen Anbieter, der für sie praktische Probleme löst.

Für zahlreiche Forschungsanliegen gibt es Plasmide. Sollen Mäusehirnzellen dazu gebracht werden, auf Licht zu reagieren? Man nehme Plasmid Nummer 20298, hinterlegt von Karl Deisseroth, dem bekannten Mitentwickler der Optogenetik in Stanford. Oder sollen die Gene einer Fruchtfliege eines nach dem anderen ausgeschaltet werden? Dann ist Nummer 64750 genau das Richtige. Das Plasmid 52970 ging zusammen mit anderen Zutaten für CRISPR seit 2013 über 60000-mal von Addgene aus auf die Reise.

Unternehmen jedoch dürfen sich derzeit nur in einem kleinen Rahmen an dem Austausch über Addgene beteiligen. Denn noch hoffen die beteiligten Universitäten, später mit dem Verkauf von DNA-Material Geld zu verdienen. Gänzlich falsch liegen sie damit nicht. Im vergangenen Jahr verkaufte der Onlineversand DNA-Fragmente im Wert von acht Millionen Dollar und erzielte einen Überschuss von zwei Millionen. Damit soll laut Geschäftsführung das Angebot erweitert werden. Mehr zum Thema "Gentechnik" gibt es in der neuen Ausgabe der Technology Review (ab sofort im Handel) zu lesen. (jle)