Zahlen, bitte! Gliese 581 – Kurzzeitig Hort zweier erdähnlicher Planeten

2007 entdeckten Wissenschaftler um Gliese 581 erstmals einen scheinbar erdähnlichen Exoplaneten. Die Freude über eine mögliche zweite Erde währte nicht lang.

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Inhaltsverzeichnis

Der Stern Gliese 581 verzückte zunächst die Wissenschaft – deuteten 2007 veröffentlichte Daten doch erstmals auf einen einen erdähnlichen Exoplaneten als Begleiter hin, der in der richtigen Entfernung zu seiner Sonne zu liegen schien, um flüssigem Wasser zu ermöglichen. Nach weiteren Messungen war die Begeisterung vorbei – mit der Lebensfreundlichkeit war es nicht so wie erhofft.

Gliese 581 ist etwa 20,3 Lichtjahre (rund 193 Billionen Kilometer) von unserem Sonnensystem entfernt. Er liegt im Sternbild Waage und ist ein Roter Zwerg der Spektralklasse M3 V. Er besitzt etwa ein Drittel der Sonnenmasse und strahlt etwa 100x schwächer als unser Stern. So weit, so unspektakulär.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Interessent wurde es erst, als die Europäische Südsternwarte (ESO) 2007 vermeldete, dass ein Team aus schweizerischen, portugiesischen sowie französischen Wissenschaftlern dort einen erdähnlichen Exoplaneten entdeckten, der sogar in der habitablen Zone läge – die Entfernung, die ein Leben ermöglichte. Daher betitelten die Wissenschaftler ihre Entdeckung auch plakativ, dass ein mit der Erde vergleichbarer Planet einer habitablen Zone entdeckt worden sei. Eine zweite Erde? Die Aufregung war groß.

Durch die gegenseitige Beeinflussung der Gravitation rotieren Stern und Exoplanet um eine gemeinsamen Schwerpunkt. Aus diesen Veränderungen können Exoplaneten bestimmt werden.

Den Kandidaten für eine lebensfreundliche Welt entdeckte die ESO mit seinem 3,6-Meter-Teleskop In La Sila, Chile über das HARPS-Spektrometer (High Accuracy Radial Velocity for Planetary Searcher). Das geschah durch die Radialgeschwindigkeitsmethode: Da sich Stern und umkreisender Planet gegenseitig beeinflussen, erzeugt das für den entfernten Beobachter ein leichtes Taumeln des Sterns, wie das eines rotierenden Brummkreisels. Diese Veränderung wurde von dem HARPS-Spektrometer wahrgenommen und daraus die Eigenschaften möglicher Planeten abgeleitet.

Gliese 581 c verfüge laut den Daten über einen etwa 50% größeren Radius und ist etwa fünfmal so schwer. Mit den Maßstäben eines Erdenkalenders verfliegt ein Jahr auf dem Zwergbegleiter wie im Flug: Innerhalb von bereits 13 Tagen umkreist der Himmelskörper etwa in 11 Millionen Kilometern Entfernung und den Stern. Zum Vergleich: Die Erde benötigt für die Strecke um die Sonne 365 Tage und das in 150 Millionen Kilometer Entfernung.

Dass der Himmelskörper trotz der geringen Distanz so interessant für die Forschung war, liegt daran, dass Gliese 581 wesentlich kleiner und kälter ist als die Sonne. Das führt dazu, dass die geringe Distanz den Berechnungen zufolge Oberflächentemperaturen von 0 bis 40 Grad ermögliche - Flüssiges Wasser.

Xavier Delfosse, Wissenschaftler der Universität Grenoble erklärte in der ESO-Pressemitteilung: "Flüssiges Wasser ist für das Leben, wie wir es kennen, von entscheidender Bedeutung. Aufgrund seiner Temperatur und seiner relativen Nähe wird dieser Planet höchstwahrscheinlich ein essenzielles Ziel für künftige Weltraummissionen sein, die der Suche nach außerirdischem Leben gewidmet sind. Auf der Schatzkarte des Universums wäre man versucht, diesen Planeten mit einem X zu markieren."

Ein möglicher Kandidat für Leben, unter den 100 uns nächsten Sternen und nur 20 Lichtjahre entfernt. – Es handelte sich um den ersten Planeten, der von der Größe und lebensfreundlicher Umgebung der Erde recht nah kam. Klar, dass dem System, erst recht nach der ziemlich selbstbewussten Pressemitteilung eine besondere Aufmerksamkeit zuteilwurde. Jedoch kamen noch im selben Jahr andere Wissenschaftler nach ihren Beobachtungen zu einem ernüchternden Ergebnis: Gliese 581 c gleiche eher der Venus und sei zu nah für eine lebensfreundliche Umgebung.

Eher sei der ebenfalls 2007 entdeckte Gliese 581 d ein Kandidat im lebensfreundlichen Umfeld. Er sei jedoch mit etwa 8 Erdmassen nur noch bedingt vergleichbar, auch weil er durch eine gebundene Rotation stets die gleiche Seite zu Gliese 581 zeigt. Zwar war sich die Wissenschaft relativ einig, dass unter solchen Bedingungen Leben eher unwahrscheinlich ist, was aber Fans nicht davon abhielt, 2009 Grußbotschaften mit 160 Zeichen an den vermeintlich lebensfreundlichen Exoplaneten Gliese 581 d zu schicken. Spätere Untersuchungen kamen 2014 jedoch zu dem Schluss, dass Gliese 581 d wohl eher eine Fehlinterpretation von Magnetturbulenzen war anstatt ein Exoplanet.

Größenvergleich: Unsere Sonne (links) und Gliese 581 (rechts)

(Bild: CC BY-SA 3.0, Kevin Heider)

Somit waren zwei hoffnungsvolle erdähnliche Kandidaten Geschichte. Das X musste also wieder weg. Gesichert sind mit Gliese 581 b, c, e lediglich drei Exoplaneten, die allesamt nicht als Kandidaten für erdähnliches Leben infrage kommen. Das zeigt, wie schwierig es ist, Exoplaneten aufzuspüren. Dennoch lernte die Forschung viel aus dem Misserfolg - Mittlerweile sind über 5000 Exoplaneten bekannt, Tendenz steigend. Dabei sind lediglich 4% der entdeckten Himmelskörper in Größe und Art vergleichbar mit der Erde.

Mittlerweile wird die Exoplanetenbeobachtung immer versierter: In einem Video wurden mehrere Exoplaneten in ihrem Weg um den Stern sogar direkt gefilmt. Kopfzerbrechen bereitet wiederum eine andere Entdeckung: Ein Exoplanet, den es nach gängigen Theorien über die Planetenentstehung so gar nicht geben dürfte. Auch ohne zweite Erde auf Gliese 581 ist die Exoplanetenforschung somit ein spannendes Feld.

(mawi)