Diesel aus Kohle

Eine neue Katalysator-Methode macht aus Kohle sauberen Dieseltreibstoff. Die USA könnten so ihre Abhängigkeit vom ausländischen Öl verringern.

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Von
  • Kevin Bullis

Der Energieträger Kohle wird in den USA zunehmend attraktiver, seit dem der Ölpreis so stark ansteigt und sich das Land gleichzeitig mehr und mehr von ausländischen Petroleumprodukten unabhängig machen will. Das praktische an der Kohle: Aus ihr lassen sich verschiedene andere Brennstoffe herstellen - darunter seit neuestem auch eine Reinform von Diesel, wie Chemiker an zwei US-Universitäten nun mit einer neuen Katalysator-Methode zeigten.

Die Technologie, die erstmals in der aktuellen Ausgabe von "Science" beschrieben ist, nutzt ein Katalysator-Paar, um die Dieselausbeute bei der bekannten Fischer-Tropsch-Synthese (F-T-Synthese) deutlich zu erhöhen. Die F-T-Synthese ist fast 100 Jahre alt und dient dazu, Kohlenmonoxid und Wasserstoff miteinander reagieren zu lassen, um Kohlenwasserstoffe herzustellen. Die Gasmischung wird durch die Erhitzung von Kohle produziert. Die F-T-Synthese wurde von den Deutschen im zweiten Weltkrieg zur Erzeugung von Treibstoff für Militärfahrzeuge verwendet, galt allerdings bislang als zu teuer, um mit Öl-Produkten konkurrieren zu können.

Eines der Probleme beim F-T-Prozess ist die entstehende Mischung aus Kohlenwasserstoffen, von denen sich nur wenige direkt als Brennstoff eignen. Alan Goldman, Professor für Chemie und chemische Biologie an der Rutgers University, zeigte nun zusammen mit seinem Professoren-Kollegen Maurice Brookhart von der University of North Carolina, wie eine geschickte Katalysator-Kombination aus den unerwünschten Kohlenwasserstoffen Diesel produzieren können. Dabei wird die Anordnung der Kohlenstoffatome verändert - aus sechs werden zwei Atome oder gar zehn. Die Zehner-Variante kann Dieselmotoren antreiben. Der erste Katalysator entfernt dabei Kohlenwasserstoff-Atome, der zweite Katalysator verändert dann die Anordnung der Atome. Schließlich wird durch den ersten Katalysator der Wasserstoff zurückgewonnen, was den Treibstoff ergibt.

Derart hergestellter Diesel hat einige Vorteile. Gewöhnlicher Treibstoff aus Öl enthält so genannte aromatische Bestandteile, die bei der Verbrennung Partikel hinterlassen. Solche Stoffe fehlen im Kohlen-Diesel. Er verbrennt deutlich sauberer, was die Kritik an bisherigen Dieselmotoren reduzieren könnte. Die saubere Verbrennung könnte so zu mehr Dieselfahrzeugen führen, was auch deshalb nicht schlecht wäre, weil deren Motoren bis zu 40 Prozent weniger Sprit verbrauchen als Benziner.

Der größte Vorteil der neuen Technik ist aber, dass die USA ihre großen Kohlevorräte nutzen könnten. "Wir haben so viel Kohle wie der Rest der Welt Erdöl besitzt. Das reicht für die nächsten Hundert Jahre", so Goldman. Eine effizientere Methode, um aus Kohle Diesel zu machen, könnte somit endlich die Abhängigkeit der USA von ausländischem Öl brechen - und zwar für eine lange Zeit.

Richard Schrock, Chemieprofessor am MIT, gewann 2005 zusammen mit zwei weiteren Wissenschaftlern den Nobelpreis - weil er den Katalysatortyp entdeckte, den Goldman und Brookhart nun im zweiten Schritt ihres Verfahrens verwenden. Er hält den Ansatz für eine großartige Idee und zeigt sich fasziniert: "Es kommt selten vor, dass zwei Katalysatoren kombiniert werden. Man wirft normalerweise nicht einfach zwei Dinge zusammen und schaut dann, ob das Gewünschte dabei herauskommt."

Caltech-Chemieprofessor Robert Grubbs, der sich den Nobelpreis mit Schrock teilte, sieht in der Entdeckung des richtigen Katalysators den wichtigsten Punkt der Erfindung: "Die Systeme müssen kompatibel sein und bei der richtigen Temperatur zusammenarbeiten, damit beide Prozesse zusammen ablaufen."

Zurzeit ist die Idee nur im "Proof-of-Concept"-Stadium und lässt sich kommerziell noch nicht nutzen. So bricht der zweite Katalysator-Schritt gerne in sich zusammen. Schrock hält das Problem aber für lösbar: "Es ist theoretisch durchaus möglich, dass die Technik praktikabel wird.“ Der Nobelpreisträger hilft Alan Goldman derzeit dabei, den richtigen Katalysator auszuwählen: "Ich schicke ihm welche, und er probiert aus, ob sie thermisch stabiler sind."

Schrock hofft zudem auf Katalysatoren, die sich aus dem Ergebnis der ersten Reaktion selbst regenerieren könnten: "Der Katalysator müsste dann nicht mehr ausgetauscht werden, die Reaktion liefe ständig weiter." (nbo)